Leseproben

aus dem Erzählband
Farang in Thailand

von Günther Ruffert, erschienen im HELLER VERLAG

Uniformen

Auf der ganzen Welt sieht man Uniformen. Auch bei uns erwartet man, wenn man in ein Krankenhaus kommt, dass Schwestern und Ärzte einen weißen Kittel anhaben. Richter tragen eine Robe. Polizisten und Soldaten tragen im Dienst eine Kleidung, die ihren Beruf und Dienstgrad erkennen lässt.
In Thailand ist das Heer der Uniformträger aber wesentlich größer als bei uns im Westen. Alle Beamten und Staatsangestellten haben eine Uniform. Tragen sie sie schon nicht jeden Tag im Dienst, dann zumindest bei besonderen Anlässen. So kommen z.B. in meinem Dorf einmal die Woche alle Lehrer in Uniform zur Schule, jeder mit entsprechenden Rangabzeichen auf der Schulter und einer Ordensspange auf der Brust. Wenn man bei einer im Fernsehen übertragenen Veranstaltung das Ministerkabinett sieht, glaubt man, dass es nur aus Generälen besteht. Jeder Minister trägt eine schneeweiße Paradeuniform mit der obligatorischen Ordensspange. Man darf davon ausgehen, dass die erste Amtshandlung eines neu ernannten Ministers darin besteht, sich eine blitzsaubere Paradeuniform anpassen zu lassen.
Hat man es mit einer Behörde zu tun, kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, es nur mit hochrangigen Offizieren zu tun zu haben. So geblendet ist man von den Rangabzeichen und Orden selbst der subalternen Beamten. Wenn bei Wahlen überall die Poster der Kandidaten aushängen, dann sieht es ebenfalls so aus als ob nur Generäle kandidieren würden. Jeder Kandidat präsentiert sich auf dem Wahlposter in Uniform. Sogar unser Dorfbürgermeister schmeißt sich in eine Khakiuniform, wenn er zwischendurch mal zu einem offiziellen Anlass in die Stadt fährt.
Die Tradition, dass alle Staatsdiener Uniform tragen, geht auf die Zeit von König Rama V. zurück. 1873 schaffte der König die Vorschrift ab, dass alle sich in Gegenwart des Königs auf den Boden ausstrecken mussten. Er ordnete stattdessen an, dass alle Prinzen und Offiziellen eine am Kragen geschlossene, weiße Jacke mit fünf Knöpfen tragen mussten.


Duschen

Thais sprechen über das Duschen wie über das Essen. Der Farang wird erstaunt sein, wie oft er gefragt wird, ob er schon geduscht hat oder jetzt duschen will. Sie wollen damit in der Regel nicht zum Ausdruck bringen, dass man stinkt, sondern es ist eine typische Art Konversation zu machen. Obwohl vielleicht mancher es nicht gerne hört, aber die Thais sind dem Europäer in punkto körperliche Sauberkeit einiges voraus. Zweimal täglich duschen - morgens und vor dem Schlafengehen - ist die Norm, sofern die Möglichkeit dazu besteht. Es ist natürlich eine Notwendigkeit, die sich vor allem aus dem tropischen Klima erklärt. Wenn der Farang meint, einmal täglich duschen wäre genug, wird er schlicht für unsauber gehalten. Thailand ist voll von üblen Gerüchen, aber Körpergeruch gehört nicht dazu.
Nach dem Duschen wird sich kräftig mit einem Körperpuder eingepudert, oft nicht nur der Körper, sondern auch das Gesicht. Wenn man - vor allem auf dem Land - sehr oft Kinder mit weiß eingepudertem Gesicht herumlaufen sieht, so gehen sie nicht auf eine Karnevalsparty oder haben irgendeine Krankheit, sondern es ist einfach so Sitte.
In den meisten Häusern sind zwar keine Duschen vorhanden. Aber eine Schöpfkelle und ein großes mit Wasser gefülltes gemauertes Becken, das in jedem Toilettenhäuschen eingebaut ist, erfüllt den gleichen Zweck. Man schöpft mit der Kelle das Wasser und gießt es sich über den Kopf. Ich muss sagen, dass ich für meinen Teil diese Methode den Duschen in den Hotels vorziehe. Dort sind die Duschköpfe oft so verstopft sind, dass man hin- und herspringen muss, wenn man richtig nass werden will.
Manchmal geht das thailändische Hygiene-Verständnis aber für den Geschmack der Europäer zu weit: Es gilt als gar nicht so unfein, sich vor anderen Leuten einen Popel aus der Nase zu holen...


Der Farang auf dem Dorf / Sprache

... Thai ist eine Sprache, die nach meiner Erfahrung sehr leicht zu lernen ist. Schwieriger ist es allerdings mit der Schrift, bei der es dem normal begabten Europäer sehr schwer fällt, die 44 Konsonanten und 32 Vokale auseinander zu halten. Aber in der Regel will man ja keine Thai-Zeitungen lesen, die es auf dem Dorf sowieso nicht gibt.
Die gesprochene Alltagssprache ist einfach. Sie kennt keine Grammatik in unserem Sinne. Da gibt es weder Singular, Plural, Nominativ, Genitiv noch Zeitformen von Verben. Im Grunde genommen reicht es völlig aus, die Worte, wie sie im Wörterbuch stehen, in ihrer Grundform aneinander zu reihen; natürlich in der richtigen Reihenfolge. So wird in der Thai-Sprache das Adjektiv hinter das Substantiv gestellt, zum Beispiel wird "volle Flasche" in Thai zu "Flasche voll". Bei zusammengesetzten Substantiven steht das Kernwort am Anfang. Zum Beispiel wird "Segelschiff" in Thai zu "Schiff-Segel". Mit ein paar hundert Worten des Grundwortschatzes kann man sich schon ganz ordentlich unterhalten. Ein Problem für den Farang ist allerdings, dass es in der Thai-Sprache fünf Tonstufen gibt und dass das gleiche Wort je nach Betonung sehr unterschiedliche Bedeutung haben kann. Thailänder sprechen Vokale nicht aus, sie singen sie eher. Konsonanten sind für sie schwierig, so dass sie, wenn sie englische Wörter aussprechen, immer einen Vokal zwischen zwei Konsonanten legen. "Lipstick" klingt etwa wie "Libsadig" und "Problem" wie "Pompem". Auch ist das "R" in Thailand weitgehend unbekannt, so dass der Straßenhändler in Pattaya den Touristen fragt "you want a Lolex (Rolex)?"
Der Farang wird aber von den Thais meist vom Zusammenhang her richtig verstanden werden, auch wenn er ein Wort nicht richtig betont. Thai muss also nicht nur mit dem Wörterbuch, sondern auch mit dem Ohr gelernt werden. Wenn man unter Thais lebt und den ganzen Tag über nur Thai hört, kommt die richtige Betonung von selbst. Vorsicht ist jedoch bei kurzen Fragen, die man an einen Einheimischen richtet, geboten. Da sind Missverständnisse vorprogrammiert. Wenn man jemand auf Thai um Feuer für seine Zigarette bittet, kann es vorkommen, dass der Angesprochene einen erstaunt ansieht, weil er verstanden hat, man wolle angesteckt und verbrannt werden. Als ich dem netten Mädchen in der Hotelrezeption einmal sagte, ich wolle morgen früh um 6 Uhr geweckt werden, weil ich schwimmen gehen wollte, hatte sie verstanden, ich wolle morgen früh um 6 von ihr gebadet werden und sie überlegte nun krampfhaft, ob sie beleidigt ablehnen oder fragen sollte, wie viel ich zahlen würde.
Es gibt in Thailand einige Phrasen, die man als Ausländer immer wieder hört. Viele dieser Phrasen enthalten das Wort chai = Herz.
Chai jen bedeutet wörtlich "kühles Herz" und wird von Thais oft gebraucht um zu sagen, dass man Geduld haben und sich nicht aufregen soll, wenn etwas nicht so läuft wie der Farang es erwartet.
Chai die bedeutet wörtlich "gutes Herz". Es wird von Thais nicht nur gebraucht, um sich für etwas zu bedanken, sondern oft auch in der Erwartung, dass der so wegen seines guten Herzens gerühmte Farang dies dann auch durch Taten beweist. Die jedem einigermaßen freigiebigen Ausländer gegenüber ausgesprochene Bemerkung, er sei chai die, er habe also ein gutes Herz, ist aber mit Thai-Maßstäben zu bewerten. Mit dem Adjektiv "gut" wird alles das bezeichnet, was nützlich und gewinnbringend ist. Ein Farang ist nach Thai-Begriffen immer ein reicher westlicher Ausländer, der immer dann ein gutes Herz hat, wenn er etwas gibt - möglichst Bargeld. Je mehr er gibt, desto mehr ist er chai die, egal ob er ein Totschläger, Räuber oder Päderast ist.
Chai rorn bedeutet wörtlich "heißes Herz" und drückt aus, dass jemand schnell die Ruhe verliert und zornig wird.
Greng chai ist ein wichtiges Wort in Thailand und wörtlich kaum zu übersetzen. Am nächsten kommt dem etwa der "Respekt", den jeder im Status niedriger Stehende dem Höherstehenden zu erweisen hat.
Mai pen rai könnte man als das nationale Losungswort bezeichnen. Es heißt wörtlich "macht nichts" und kann dem Farang manches erklären, was ihm unverständlich erscheint. Egal was passiert, wenn man doch nichts mehr daran ändern kann, dann ist es eben mai pen rai. Wer in Thailand überleben will, der muss sich daran gewöhnen, diese Phrase jeden Tag ein paarmal zu hören und sie selbst nicht nur zu sprechen, sondern auch den Sinn zu akzeptieren...


Thais leben mit Geistern

Bei uns wird der Begriff "Geister" meist mit Gespenstern gleichgesetzt. Die Thais dagegen verstehen darunter mehr das, was wir als Engel bezeichnen würden. Davon gibt es eben gute, die den Menschen beschützen und auch böse, die ihm schaden. Wenn den aufgeklärten Farangs der Glaube an überirdische Mächte auch meist abhanden gekommen ist, so ist der Glaube oder noch besser die Überzeugung, dass überirdische Mächte unsere Geschicke lenken, nicht auf Thais beschränkt. In der Bibel ist immer wieder von Engeln die Rede, die den Menschen erschienen sind. Nach Ansicht eines Kirchenvaters, des Bischofs Ambrosius von Mailand, sind "die Luft, die Erde und das Meer erfüllt von Engeln". Auch viele aufgeklärte Farangs werden beim Lesen der Zeitung einen kurzen Blick auf das tägliche Horoskop werfen, auch wenn sie selbst behaupten, das sei alles Humbug.
Das tägliche Leben der Thais wird mindestens genauso durch unsichtbare wie durch sichtbare Mächte und Kräfte bestimmt. Thais sind zwar Buddhisten, aber der Glaube der Menschen ist stark mit animistischen Elementen durchsetzt. Der Farang, der mit dem Geisterglauben der Thais in Kontakt kommt, neigt dazu, darüber aufgeklärt zu lächeln oder sich gar an den Kopf zu fassen. Wer sich aber ernsthaft mit den Lebensumständen der Thais befassen will, sollte den Geisterglauben nicht mit einem Lächeln abtun. Wer eine Thai heiratet, hat nicht nur wie allbekannt die Familie, sondern auch ihren Geisterglauben am Hals. Wer aber einem Thai seinen Glauben an die Geister nimmt, der nimmt ihm die Möglichkeit, sein Geschick günstig zu beeinflussen und damit seine Sicherheit und einen Teil seiner Lebensqualität. Jeder Farang der mit einer Thai zusammenlebt oder sich gar in Thailand niederläßt, tut gut daran, sich darüber zu informieren und darauf einzustellen.
Wie sehr der Geisterglaube auch in das tägliche Leben nüchterner Geschäftsleute und Banker hineinspielt, zeigt folgende kleine Episode. Nach dem großen Krach bei dem 1997 alle Banken in Schwierigkeiten kamen, entschloss sich auf Anraten eines Experten die Geschäftsleitung der zweitgrößten Bank des Landes, der Thai-Farmers-Bank, zwei mächtige Steinlöwen, die den Eingang zum pompösen Hauptsitz der Bank in Bangkok flankierten, um ein paar Meter versetzen zu lassen, weil sie nicht genug Sonne bekamen. So sollten die darin wohnenden Geister freundlicher gestimmt werden. Weiterhin stellte der Experte fest, dass die Haupteingangstreppe eine gerade Anzahl an Stufen hatte. Um eine glückbringende ungerade Stufenzahl zu bekommen und um so ein günstiges Klima für die die Treppe benutzenden Bankkunden zu schaffen, musste also noch eine Stufe hinzugebaut werden.
Es gibt für alle wichtigen Vorhaben günstige und ungünstige Tage. Als wir beschlossen hatten,....


Die thailändische Küche

Thailand ist ein kulinarisches Paradies. Der Vorzug der thailändischen Küche liegt in der Vielfalt und der Kombination vieler Geschmacksrichtungen. Mit Kokosmilch angereicherter Curry oder Suppen, saure Salate, kurz angebratenes Fleisch und Gemüse, knackige Meeresfrüchte, Hühnerfleisch in Kokosmilch, gebratene Ente mit Ingwer oder Muscheln mit Curry und Basilikum - alles wird gegessen mit gekochtem oder gedämpftem Reis.
Reis ist der wichtigste Bestandteil der thailändischen Ernährung und Mittelpunkt der thailändischen Küche. Nicht umsonst bedeutet das Thai-Wort für essen gin kao, was wörtlich übersetzt heißt "Reis zu sich nehmen". Eine Mahlzeit ohne den geheiligten Reis ist unvorstellbar und wird nicht als wirkliche, den Hunger sättigende Mahlzeit angesehen. In den Geschäften wird eine Vielzahl unterschiedlicher Reissorten und Qualitäten angeboten. Unter den verschiedenen Reissorten ist der langkörnige Jasmin-Reis (kao hom mali) besonders beliebt und natürlich auch am teuersten. Der Anbau von Jasmin-Reis erfordert aber einen speziellen Bodentyp und gedeiht deshalb nur auf den leicht salzigen Böden der Nordostprovinzen. Der appetitanregende Duft von frisch zubereitetem Jasmin-Reis ist eine besondere Eigenschaft dieser Sorte. Bruchreis hat dagegen die geringste Qualität. Wie der Name schon sagt, handelt es sich bei Bruchreis um die in der Reismühle zerbrochenen Körner. Bruchreis hat den Nachteil, dass er leicht weich wird, weil er zu schnell das Wasser aufnimmt. Dafür kostet er aber auch deutlich weniger als der Langkornreis. Im Norden und Osten Thailands bevorzugt man den Klebreis (kao niao), dessen Körner nach dem Kochen fest aneinander kleben. So kann dieser Reis auch besonders leicht mit der Hand gegessen werden.
Reis wird sowohl zum Frühstück wie zu Abend gegessen. Khao tom, eine Reissuppe, ist das typische Frühstück der Thai. Die eher fade Suppe gibt es mit Huhn, Schwein, Garnelen, Rind und anderen Zutaten und wird am Tisch ja nach Geschmack kräftig nachgewürzt.
Die Thai-Küche ist eine leichte Küche. Kurze, vitaminschonende Garzeiten werden bevorzugt und mit Fett wird äußerst sparsam umgegangen. Viele Gerichte haben frisches Gemüse als Grundlage....


Nudelshops

Eines der Thai-Leibgerichte (und auch meines) ist Nudelsuppe Koh Tio. Ich würde Koh Tio allerdings nie in einem Restaurant essen, außer, ich bin gerade mal eingeladen. Koh Tio schmeckt einfach am besten in einem Nudelshop am Straßenrand. Man kann auf den belebten Straßen Bangkoks keine hundert Meter weit gehen, ohne auf solch eine typische Thai-Abfütterungseinrichtung zu stoßen. Natürlich sind Nudelsuppen auch in anderen Ländern, wie in China, ein wichtiger Teil des gastronomischen Angebots. Zu einer echten Thai-Nudelsuppe gehört aber auch das richtige Ambiente und das findet man eben nur in Thailand.
Fangen wir mit der Hardware an. Ein typischer Nudelshop besteht aus einer am Straßenrand aufgebauten fahrbaren Kocheinrichtung mit aufgesetztem Regal, hinter dessen Glasscheiben man all die vielen Zutaten bewundern kann, mit denen eine Thai-Nudelsuppe auf den individuellen Geschmack gebracht werden kann. Desweiteren gehören zur Einrichtung, einige auf dem Bürgersteig aufgestellte, wackelige, mit Plastik überzogene Klapptische und ein paar Hocker. Bevor ich mich aber an solch einem gastronomischen Minibetrieb niederlasse, prüfe ich mit einem schnellen Blick, ob auch die anderen wichtigen Dinge vorhanden sind, die man zum ungestörten Genuss des Mahls benötigt. Das sind nicht etwa Damasttischtücher und silberne Bestecke, sondern eine Büchse mit Zahnstochern und eine Rolle Toilettenpapier auf dem blanken Tisch sowie ein Spucknapf unter dem Tisch. In besseren Etablissements ist die Klopapierrolle in einer Plastikschale verpackt, der ein mit einem Snoopy-Bild verzierter Deckel einen distinguierteren Anstrich verleiht. Die Zahnstocher werden benötigt, um sich die Chilireste aus den Zähnen zu popeln, das Toilettenpapier, um sich das Wasser abzuwischen, das einem aus Augen und Nase strömt, wenn man versehentlich auf eine Chilischote gebissen hat und der Spucknapf um Zahnstocher und Papier nach Gebrauch zu entsorgen.
Kommen wir nun zu dem Wichtigsten, der Herstellung der kulinarischen Köstlichkeit selbst:....